Zwischen Köln und Moskau, Belarus 1989, Foto: Guido Hausmann CC BY-NC-ND 3.0

Auf dem Weg nach Odessa

Guido Hausmann

Glücklicherweise hatte ich 1989 ein DAAD-Jahresstipendium erhalten, um in Odessa, Kiew und Leningrad an meiner gerade begonnenen Dissertation über Odessa in der zweiten Hälfte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu arbeiten.

Ich fuhr Anfang September mit einer Gruppe von etwa zwanzig weiteren DAAD-Stipendiat:innen mit dem Zug von Köln über Warschau nach Moskau. Fast alle anderen gingen nach Moskau oder Leningrad, lediglich ein weiterer Stipendiat brach von Moskau nach Irkutsk auf, um über die Ökologie des Baikalsees zu forschen – und ich fuhr nach Kiew und Odessa weiter.

Irgendwo im belarusischen Niemandsland sprangen plötzlich einige Waggons aus dem Gleis, unser Waggon geriet in eine Schräglage, einige Koffer fielen herunter, es quietschte, der Zug fuhr aber weiter, bis die aufgerissenen Holzschwellen die Räder blockierten und eine Weiterfahrt unmöglich war. Kurze Schockstarre, aber niemand war verletzt worden. Wir hatten mehrere Stunden einen unfreiwilligen Aufenthalt. Es war aber ein sonniger Nachmittag, und wir konnten draußen etwas herumlaufen, allerdings durften wir das Bahngelände nicht verlassen. Erklärungen und Informationen über die Weiterfahrt gab es nicht. Der Vorfall stimmte darauf ein, dass wohl noch mit einigen Unwägbarkeiten zu rechnen war. Es ging am frühen Abend weiter.

 

Prof. Dr. Guido Hausmann ist seit 2016 Leiter des Arbeitsbereichs Geschichte am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung Regensburg und Professor für Geschichte Ost- und Südosteuropas mit Schwerpunkt Russland/Sowjetunion und Ukraine an der Universität Regensburg.

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