Roter Platz, Moskau 1989, Foto: Kristiane Janeke CC BY-NC-ND 3.0

Der Rote Platz, Moskau 1989

Kristiane Janeke

Bis heute führt mich mein erster Weg in Moskau stets auf den Roten Platz. Das war 1985 so, als ich – damals noch Schülerin – zum ersten Mal in Russland war, und ist bis heute eine Tradition für mich geblieben. Dazwischen liegt der Herbst 1989. Als junge Geschichtsstudentin aus Westdeutschland kam ich für ein Sprachsemester an das Moskauer Puschkin-Institut. Mit den Plakaten zur „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ konnte ich wenig anfangen. Ich war ganz von der für mich überwältigenden Erkenntnis eingenommen, dass die Menschen einen Alltag hatten, ein normales Leben, an dem ich nicht teilnehmen konnte. Ein zehnminütiges Referat über Dostojewskij hätte ich problemlos halten können, aber beim Schuster einen neuen Absatz für meine Stiefel in Auftrag zu geben, dazu war ich kaum in der Lage.

Dennoch: Der Spalt, der sich mir in diesen Monaten in die Lebenswelt und Realität der späten Sowjetunion auftat, prägt mein Verhältnis zu Russland bis heute. Der Rote Platz ist für mich der Brennpunkt der Eigen- und Fremdwahrnehmung Russlands geblieben. Ich habe das Glück, ihn in vielen Phasen des Wandels durch das winzige Fenster im Giebel des Staatlichen Historischen Museums vor mir liegen zu sehen, wenn ich dort mit den Kolleg*innen zusammen esse.

 

Dr. Kristiane Janeke studierte Geschichte und Slawistik in Bonn, Berlin und Moskau. Seit 2020 ist sie wissenschaftliche Leiterin und Leiterin Abteilung Museumsbetrieb des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden.

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