Taksofon, Moskau 1988, Foto: Ina Ruck ©

Das Taksofon und seine Tücken

 Ina Ruck

Absolut überlebenswichtig in den Neunzigern in Moskau: das Taksofon. Die Dinger hingen überall in der Stadt, waren häufig kaputt (untrügliches Zeichen: keine Schlage davor). Manche sahen aus wie Telefonzellen, andere waren einfach Telefonapparate, an eine Wohnheim- oder Kaufhauswand geschraubt – andere durch kleine Glasscheiben abgetrennt, wie auf dem Foto.

Für einen Anruf brauchte man ein Zweikopekenstück. Das schob man zur Hälfte in den Schlitz, dort hing es in einer Art Warteposition, man wählte die Nummer. Die Münze fiel erst durch, wenn der oder die Angerufene am anderen Ende der Leitung den Hörer abnahm. Hob niemand ab, konnte man das Geldstück wieder mitnehmen.

Allerdings gab es damals diese weit verbreitete Unsitte in Behörden und Büros, sich lästiger Klingelei durch kurzes Abnehmen und sofortiges Wiederauflegen zu entledigen. Das hieß: Der Anruf war nur kurz verbunden, das Geld fiel dennoch durch. Total ärgerlich: Niemanden und nichts erreicht, aber – das Zweikopekenstück war weg.

Ferngespräche ließen sich nur vom zentralen Telegrafenamt an der Gorkistraße führen. Das Telefonat musste man in der riesigen, mich damals einschüchternden Halle bestellen: unzählige Telefonkabinen entlang der Wände, in der Mitte Wartebänke, an der Kopfseite eine Reihe von Schaltern. Fünf Minuten Deutschland, Stadt Unna, die Nummer meiner Eltern – alle zwei Wochen fuhr ich in die Gorkistraße.

Das Ganze fühlte sich an wie die Challenge in einer Spielshow. Die Schlangen vor den Schaltern, die Herausforderung, bei der Annahmedame die richtige Nummer zu bestellen – alles mündlich, zum Aufschreiben war keine Zeit. Und das Schwierigste: im lauten, immer vollen Saal nicht zu verpassen, wenn deine Stadt aufgerufen wurde. Und die Nummer der Telefonkabine zu verstehen: „Gorod Unna, Kabina 215“. In der Kabine leuchtete einmal kurz eine Lampe auf – ab dann lief die Zeit. Wenn man es innerhalb 30 Sekunden (oder war es eine Minute?) nicht geschafft hatte, zur Nr. 215 zu spurten und den Hörer von der Gabel zu nehmen, trennten sie die Verbindung.

Ob sie all die Gespräche mithörten, weiß ich nicht. Kurz vor Ende der bestellten Zeit sprach jemand streng „Zum Ende kommen!“ in die Leitung. Ganz allein war man wohl nie in der kleinen Kabine.

 

Ina Ruck ist Slawistin und Fernsehjournalistin und leitet das ARD-Studio in Moskau.

Menu