Videothek Apraksin dvor, Leningrad 1989, Foto: Wolfgang Sartor CC BY-NC-ND 3.0 DE

Videofilme erobern sowjetische Hinterhöfe

Wolfgang Sartor

Videosalons wurden seit Ende der 1980er Jahre zu einem sichtbaren Teil des alltäglichen Lebens. Auf dem Foto stehen Leute Schlange und warteten im Apraksin-Dvor (Hof) in St. Petersburg (vielleicht auch noch Leningrad) auf Einlass, um einen Erotikfilm zu sehen. Diese für die Sowjetunion neuartigen Institutionen existierten bis zum Siegeszug des Internets und erfreuten sich regen Zuspruchs. Gezeigt wurden westliche Filme, wie „Krieg der Sterne“, „Rambo“ oder Streifen mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle. Und natürlich Erotikfilme.

Die Filme waren offiziell noch nicht legal. Später sendete auch das staatliche Fernsehen westliche Filme (keine Erotik) zu nächtlicher Stunde. Videosalons gab es bereits Mitte der 1980er Jahre im privaten Umfeld – gegen ein geringes Entgelt wurden Nachbarn in die Wohnung eingeladen, um Filme zu schauen. Darunter fand sich gelegentlich auch mal ein „Stukatsch“ (Denunziant), was zu hohen Strafen führen konnte.

Mitte der 1990er Jahre etablierte sich dann der „Videoprokat“ (Videoverleih), weil sich immer mehr Menschen einen Videorekorder leisten konnten. In dieser Zeit blühte der Handel mit Unterhaltungselektronik aller Art auf riesigen Märkten wie beispielsweise auf der „Garbuschka“ in Moskau. Westliche Filme fanden hier oft lange vor ihrem offiziellen Start in den Kinos Umschlag.

 

Dr. Wolfgang Sartor studierte und promovierte im Fach Osteuropäische Geschichte am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin. Er lebt seit 1989 halbjährlich in St. Petersburg.

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